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Leben retten

Der größte Teil der Betreuerarbeit ist ja langweiliger Schreibtischkram. Und nach ein paar Jahren in diesem Gewerbe wird vieles zur Routine. Zur Routine gehört auch, dass man meistens nicht mehr tun kann als das Elend zu verwalten. Wenn man den Abstieg eines Menschen aufhalten oder zumindest verlangsamen kann, ist das schon ein Erfolg. Aber zum Glück (für die Betroffenen und fürs eigene Ego) gibt es auch viele Punkte, an denen es mit einem Menschen wieder aufwärts geht. Meistens ist das ein langsamer, unauffälliger Vorgang, aber gelegentlich läuft es sehr dramatisch ab.

So wie damals bei Frau Bauer. Sie war eine Frau in den Fünfzigern, vom jahrzehntelangen Alkoholmissbrauch und mehreren traumatischen Erlebnissen schwer gezeichnet, körperlich und seelisch. Jeder Rausch könne ihr letzter sein, hatte mir der behandelnde Psychiater gesagt.

Frau Bauer lebte in ihrer Single-Wohnung, falls sie sich nicht gerade in der Suchtabteilung der Psychiatrie von einem akuten Folgeschaden ihrer Abhängigkeit erholte.

Eines Samstagabends rief mich ihr getrennt lebender Ehemann an. Seine Frau habe sich bei ihm gemeldet und gesagt, dass sie sich jetzt umbringen werde. Ich setze mich natürlich sofort ins Auto und fahre zu ihr. Unterwegs nehme ich von der örtlichen Polizeiinspektion noch zwei Beamte mit. Ich gehe in ihre Wohnung (Frau Bauer hat mir einen Schlüssel überlassen). Frau Bauer sitzt in der Küche, sturzbetrunken. Nein, sagt sie, sie will sich doch nicht umbringen. Kaum dass ich „Aha“ gesagt habe, sind die zwei Polizisten schon wieder verschwunden. Kaum sind die Polizisten weg, sagt Frau Bauer, dass sie sich natürlich jetzt umbringt, sie wollte nur die grünen Männchen loshaben.

Fantastisch. Die Polizei brauche ich jetzt nicht mehr zu holen, da wiederholt sich nur das gleiche Spiel. Weiterlesen